Lesung Mina Hava «Für Seka»
An eine anspruchsvolle, doch lohnende Lektüre wagten sich die Klassen V5a, T5a und T5c zusammen mit ihren Deutschlehrerinnen Anita Radulović und Juliette Weiss. Mina Havas 2023 bei Suhrkamp erschienener Roman «Für Seka» wurde von der Literaturkritik hochgelobt. Er befasst sich mit schweren Themen: Kriegsverbrechen im Bosnienkrieg, insbesondere dem Lager von Omarska, der Unsichtbarkeit der Gastarbeiter*innen, mit häuslicher Gewalt und Krankheit. Auch formal ist der Roman herausfordernd. Er begleitet die Hauptperson Seka bei ihrer Recherche und folgt dabei keinem Narrativ, sondern lässt die Themen wie in einem Zettelkasten aufeinandertreffen.
Die erst 26-jährige Mina Hava besuchte die KME am 21. November 2024. Ihr rhythmisches und eindringliches Vorlesen liess die Nähe zur Lyrik erahnen und zeigte die Komplexität ihrer Prosa. Im Gespräch, das bald für die Fragen der zahlreich anwesenden Studierenden geöffnet wurde, erzählte Mina Hava von ihrem Schreiben und dem Ringen mit dem Stoff.
Sie werde oft darauf angesprochen, dass ihr Roman anstrengend zu lesen sei, erzählte Mina Hava. Das Schreiben des Romans sei ebenfalls anstrengend gewesen, die literarische Beschäftigung mit den aufwühlenden Themen sei aus einer grössten inneren Not entsprungen. Sie habe unterdessen für den Moment aufgehört, Prosa zu verfassen, da sie dies mit ihrem Hang zu schwerer Materie nicht mehr aushält. Stattdessen übersetze sie nun Lyrik.
Der Drang, den Roman zu schreiben, sei aus einem ihr unerklärlichen Zorn entstanden über die Geschichtsprofessoren der ETH, wo Mina Hava Globalgeschichte und Wissenschaftsforschung studierte, und aus der Spannung zwischen einerseits der in ihrer Familie fortlebenden Erinnerungen an den Bosnienkrieg und andrerseits der medialen und überall verfügbaren Berichterstattung aus dem Krieg. Diese zwei Seiten aufeinanderprallen zu lassen, war eine Triebfeder für ihr Schreiben. Sie empfand es als herausfordernd, von diesem Krieg, der im Leben ihrer Familie tiefe Spuren hinterlassen hatte, auf deutsch und damit aus deutschsprachiger Sicht zu berichten, und spürte dabei ihre Entfremdung von der bosnischen Sprache und ihrer Herkunft.
Was denn das in einem sei, das nach einer schlüssigen Geschichte verlange, fragte Mina Hava einmal im Laufe des Gesprächs. Es bleibt der Eindruck, dass ein Krieg, der sich so persönlich in eine Lebens- und Familiengeschichte eingeschrieben hat, kaum wahrhaftig literarisch darstellbar ist. Umso beeindruckender, dass Mina Hava es geschafft hat, eine Form dafür zu finden.