Seit die CBD in Europa zu mehreren Todesfällen führte, gibt es auch in der Schweiz Diskussionen über die neue Droge. Doch wie gefährlich ist das «synthetische Cannabis» wirklich? Micha Stoob hat sich bei einer Fachperson erkundigt.

 

 

 

 

von Mischa Stoob, Vollzeit-KME, März 2021

«Von Gras ist noch nie jemand gestorben», lautet eines der häufigsten Argumente, wenn es bei einer Feierabendbier-Diskussion darum geht, ob nun Alkohol oder Cannabis schädlicher seien. Seit geraumer Zeit häufen sich allerdings die Fälle, bei denen Konsumierende von «Bad-Trip»-Erlebnissen erzählen oder gar infolge von Cannabiskonsum hospitalisiert werden mussten. Europaweit werden immer wieder einzelne Todesfälle gemeldet, wobei die Dunkelziffer deutlich höher sein dürfte. Auch beim Drogeninformationszentrum Zürich (DIZ) stellte man einen deutlichen Zuwachs fest. Schuld daran sind neue synthetische Cannabinoide. 2019 konnten insgesamt 15 synthetische Proben aus dem Labor nachgewiesen werden. Von Januar bis August dieses Jahres sind bei 91 Proben bereits 50 positiv auf synthetische Cannabinoide getestet worden, was eine Quote von über 50% ausmacht. Um diesem neue Phänomen auf die Spur zu kommen, habe ich mich mit dem Sozialarbeiter Michel Käppeli von Saferparty Streetwork, einem Präventionsangebot der Stadt Zürich, getroffen.

Sozialarbeiter Michel Käppeli von Saferparty Streetwork klärt im Auftrag der Stadt Zürich über die Auswirkungen von Drogenkonsum auf. (Bild: zVg).

 

Was ist synthetisches Cannabis genau?

Doch was muss man sich unter «synthetischem Cannabis» genau vorstellen, wie wirkt es und was sind die Gefahren dabei? Michel Käppeli klärt auf: «Synthetisches Cannabis, wie der Name bereits sagt, wird im Labor hergestellt. Dazu wird ein künstlicher Stoff CBD-Blüten oder Haschisch beigegeben. Dieser dient dazu, die Wirkung von THC nachzuahmen. Laut der europäischen Aufsichtsbehörde für Drogenfragen stammen die meisten synthetischen Stoffe von chinesischen Chemieunternehmen, die den Stoff dann in Form von Pulver nach Europa bringen. In Europa wird dieses Pulver mit Aceton oder Methanol verflüssigt und den legalen CBD-Blüten oder dem Hasch beigegeben. Von synthetischen Cannabinoiden sind uns bislang 169 verschiedene Sorten bekannt, die sich in 14 chemische Strukturfamilien einordnen lassen. Die Problematik bei so vielen Stoffen ist, dass sie zum Zeitpunkt des Importes noch legal sind und erst später, nach der Entdeckung und Deklarierung, dem Betäubungsmittelgesetz unterliegen. Ab dann verschwindet die Sorte meistens wieder auf dem Schwarzmarkt und es kommt aufs Neue eine unbekannte, noch legale Substanz in den Umlauf und schliesslich in unser Labor. Leider hat jedes dieser Cannabinoide eine unterschiedliche Wirkungsintensität und -dauer, die auch die Dealer nicht kennen. Wissenschaftlich wurde noch keiner dieser Stoffe genauer erforscht, man geht aber davon aus, dass ihre Wirkung zwischen 50- und 100-mal stärker als natürliches THC ist.»

Weshalb ist der Konsum so gefährlich?

Im Unterschied zu natürlichem THC-Cannabis ist bei den synthetisch behandelten Blüten die Gefahr einer Überdosierung viel höher, vor allem, wenn es der Konsument unwissentlich konsumiert. Jemand in meinem Umfeld berichtete mir von Nebenwirkungen wie Schwindelanfällen, Herzrasen und Übelkeit mit Erbrechen. Bei Michel Käppeli und seinem Team gehen ähnliche Meldungen ein. Durchaus möglich sind zudem auch schwerwiegendere Verläufe wie bspw. Wahnvorstellungen und akute Psychosen. Diese Wirkungen können im schlimmsten Fall bis hin zum Herzinfarkt führen.

Optisch lässt sich das synthetische CBD nur schwer von natürlichem Cannabis unterscheiden. (Bild: pixabay/gjbmill)

 

Problematisch ist ebenso die Tatsache, dass man synthetisches Cannabis weder von Auge, noch vom Geschmack oder Geruch von herkömmlichen Cannabis unterscheiden kann. Es gibt also keine Möglichkeit im Vorhinein zu erkennen, ob die Blüte gestreckt ist oder nicht. Deshalb gilt im Zweifelsfall entweder die Substanzen in einem Labor anonym testen zu lassen, zum Beispiel beim Cannabis-Drug-Checking Zürich, oder die Safer Use Regeln zu beachten. Diese raten zum Beispiel, dass man nach zwei, drei Zügen ca. 15 Minuten die Wirkung abwarten sollte. Ausserdem sollte man von Mischkonsum (mit Alkohol) absehen und das gut verkleinerte Gras breit im Joint verteilt, sodass sich keine Hotspots von besonders hoher synthetischer Konzentration bilden können. Stellt man dabei eine ungewöhnliche Wirkung fest, sollte man den Konsum einstellen und nicht weiterrauchen. Denn je länger der Konsum, desto intensiver und länger hält auch ein möglicher «Bad-Trip» an.

Was tun bei einem «Bad-Trip»?

Wie man mit einem Zustand dieser Art umgeht, ist von Person zu Person verschieden und hängt von Faktoren wie Location, Tageszeit und Erfahrung ab. Am sinnvollsten ist jedoch, sich irgendwo hinzulegen, sich auf seinen Atem zu konzentrieren, eventuell ein wenig Wasser zu trinken und einfach abzuwarten. Denn der Trip lässt sich weder durch Einnahme anderer Stoffe noch durch Erbrechen stoppen. Wichtig ist auch, dass man nicht allein ist und am besten jemanden um sich hat, der einem beruhigend zureden kann.

Allgemein kann gesagt werden, dass erfahrene Konsumenten wahrscheinlich routinierter mit der Situation umgehen als Personen, die einen solchen Zustand zum ersten Mal erleben. Sicher vor diesen Nebenwirkungen ist aber weder ein regelmässiger Kiffer noch ein Einsteiger.